Zeitgeist präsentiert THE BATMAN

Jede grosse Figur der menschlichen Geschichtenerzählungen ist eine Figur die leidet.

Die Figur die am meisten leiden muss, ist die, die wir Menschen am ehesten verstehen und annehmen.

Sophokles "Oedipus", William Shakespeares "Othello" oder J. W. Goethes "Faust"- jede von diesen Figuren und ihren Geschwistern im Geiste, trachtet nach einem anderen Schicksal. Figuren, die besessen sind von einer konkreten Vorstellung und im Laufe ihrer Suche nach Warheit und eigenem Frieden, lediglich Leid, Tod und Zerstörung anrichten.

Bob Kanes und Bill Fingers "The Bat-Man" befindet sich ebenfalls in diesem Pantheon von tragischen Figuren, doch ist er, wie jede kreativ ersonnene Figur vor und nach ihm, seinem Medium, seiner Kunst und seiner Zeit nicht nur verbunden.

Er ist ihr sogar auch verpflichtet.

"The Bat-Man" war eine originäre Comicfigur, im Amerika des ausgehenden 20.Jahrhunderts, und somit einem populärem und relativ verständlichem Muster entsprungen und die dramaturgische Idee des reichen, getriebenen Mannes, der aus mehr oder weniger moralischen Gründen eine zweite Identität etabliert und gegen das vermeintlich Böse kämpft, war so ein modernes und äusserst populäres Konstrukt.

Alexandre Dumas "Le Comte de Monte-Cristo" von 1844, Johnston McCulleys "El Zorro" von 1919, Walter B. Gibsons "The Shadow" von 1930 oder auch - mit Abstrichen - Fran Strikers "The Lone Ranger" von 1933 sind Musterexemplare dieser Genrefiguration.

Anno 1939, von Bill Finger gezeichnet und maßgeblich konzipiert- ein Jahr nach der Figur des "Superman" von Jerry Siegel & Joe Shuster, als verlagsgleicher Heftbeitrag- und unter, dem nicht ganz verheissungsvollen, Titel "Detective Comics No.27" erschienen, herrschte bei der Figur des "Bat-Man" ein komplett verschiedener psychologischer Grundzug als bei, beinahe, all seinen direkten Vorgängern und stellte ihn eher in den Rang einer Epigone von antik-klassicher Größe. Seine natürlich veranlagte Tragik, sein totemhaftes Wesen und seine Wurzeln in einer diabolischen Ästhetik, lassen seine Ursprünge eher im Lichte der Tiefen menschlicher Grundängste erscheinen, als in den zahlreichen Konstruktionen der frühen post- und popmodernen Kunstbildung.

Doch eines haben all diese Figuren gemeinsam. Jede Figur die ein Ziel verfolgt oder eine Entwicklung forciert, welches sich aus einer inneren Überzeugung speist, benötigt eine Initialzündung. Ein Ereignis welches dermaßen gravierende Veränderung herrvorufen muss, dass es der Figur überhaupt erst ermöglicht, die Kraft und den unbedingten Willen, nach Veränderung oder Vervollkommnung der vorherrschenden persönlichen oder gesellschaftlichen Umstände zu trachten.

Bei den meisten früh-modernen oder post-modernen Figuren geschieht dies entweder im Jugendalter ode in einer späten Reifephase. Diese Figuren haben  meist auch eine sehr ausgeprägte Vorstellung von Gut und Böse, Liebe und Hass und all den weiteren Werten, die wir unserem Leben geben, bis ein massiver Bruch diese Konvention, die aufgebauten Weltzusammenhängen, sprengt.

Bei der Figur des Bruce Wayne gestaltet sich die Situation jedoch fast schon grundlegend anders. Seine Initialzündung, der traumatisierende Einschnitt in seiner Persönlichkeit- mit der Ermordung seiner Eltern- geschah in frühester Kindheit. Aufgewachsen in einer immens wohlhabenden und geordneten Umgebung, vermittelte ihm sein Familie Liebe, Aufmerksamkeit und Stolz, während sein Erbe ihm Sicherheit, Ruhm und Reichtum versprach. Mit dem Raub seiner liebenden Eltern und einer freudenreichen Kindheit, ließ man dem kindlichen Bruce Wayne jedoch überhaupt keine Zeit und keinen Raum um dies einzuordnen oder gar emotional zu begreifen. Es blieb nur eine Erinnerung, eine vage Vorstellung von Liebe und Güte. Ein Kind ohne Welt, ist ein Kind ohne sich selbst. Eine junge, schwache, zarte und fragile Seele, gleitet so ohne Hindernis ins tiefste Dunkel des Menschen. Er wächst auf mit der Vorstellung eines geraubten Paradieses, in der beherrschenden Vorstellung, das die Welt um ihn herum, nur aus Dunkelheit besteht.  Alles was er dort findet ist reine, treibende Angst.

Angst vor der Einsamkeit. Angst vor der Welt. Der eigenen Ohnmacht.

Doch ein Gefühl ist stärker als die Angst. Der Hass. Reiner, klarer Hass.

Den Hass auf sich selbst. Den Hass auf die Welt, welche dies zulässt.

Der Hass macht ihn stark und befreit ihn von der Angst. Er erschafft sich einen neuen, eigenen Gott. Einen bösen und rachsüchtigen Gott. Einer der nicht aus dem Licht kommt, sondern aus der Dunkelheit. Neugeboren, als ein dunkler Ritter, als die Inkarnation eines dunklen Gottes, kennt er keine Vergebung für die Welt, denn er ist aus dem Schrecken geboren und so tritt er nun ins unheilvolle Licht der Nacht. Getrieben vom Hass und einem heiligen Zorn, durchstreift er die Gestaden eines dunklen Labyrinths. Sein Gesicht und seinen Körper verdeckt, aus bedrohlicher und furchteinflössender Scham, um vollends in dem Schmerz, der Trauer und der Angst aufzugehen.

Ein Exorzist seiner selbst und seiner Welt, auf der Suche nach den Boten des Todes, die hinter Schwaden von dunklem Rauch versteckt, mit verächtlichem Lachen zu ihm dringen. Es lauert seine Nemesis, die durch die eigene Existenz geboren, ihn ihm ihr Heim sucht. Immer zum bösen Spiel bereit - mit einem breiten Grinsen- als roten Zug- doch keinem Lächeln auf dem Gesicht. Schmerz und Chaos bringt er in die Welt und mehrt die Macht seines zerstörerischen Wahnsinns. Einem Spiegel gleicht der Wahnsinn seiner Nemesis, seiner eigenen Angst. Er glaubt nur an eine Sicherheit. Feuer bekämpft man mit Feuer. Schmerz mit Zerstörung. Chaos durch Tod. So wird er mehr ein faschistoider Gedanke als ein lebendiger Mensch, genährt durch die Furcht und getrieben von einem einzigen Willen.

Dem Willen nach Erfüllung seines dunklen Martyriums.

THE BATMAN

Der geliebte Dämon.

The Batman, Wachsmodell von  Alex Ross